Wie strukturiert werden bei Ihnen neue Mitarbeiterinnen eingearbeitet und überprüfen Sie den Erfolg der Einarbeitung, bevor Sie “die Neuen” auf Ihre Patienten loslassen? Erfahren Sie hier 5 Praxis-Tipps, die Sie von einer Flugzeug-Crew lernen können.
Stellen Sie sich folgende Szene vor: Sie unternehmen eine lang geplante Flugreise nach New York und sitzen endlich auf Ihrem reservierten Platz. Da Sie erst auf den letzten Drücker die Praxis verlassen haben, knurrt Ihnen langsam der Magen. Die Kabinencrew beginnt gerade mit dem Service. Sie warten geduldig. Als Ihre Sitzreihe erreicht wird, bestellen Sie den im Bordmagazin erwähnten Snack.
„Oh, ich weiß nicht, ob wir das haben”, meint die junge Flugbegleiterin zu Ihnen. „Wissen Sie, ich bin ganz neu hier. Da muss ich erst meine Kollegin fragen. Das kann aber dauern, Sie sehen ja, wie viele Passagiere hier sind.”
Funktioniert Ihr Praxisablauf reibungslos?
Wenn Ihnen diese Szene völlig unrealistisch vorkommen sollte, haben Sie völlig recht. So etwas werden Sie vermutlich nie in einem Flugzeug erleben und auch als inakzeptabel ansehen, erläutert Dr. Sabine Werner.
Aber möglicherweise könnte es genauso einem Patienten in einer (auch Ihrer?) Arztpraxis ergehen, der nach einer langen Wartezeit auf einen Termin, die neue MFA an der Rezeption nach einer bestimmten Untersuchungs- oder Behandlungsmethode fragt.
Patienten erwarten auch hier berechtigterweise, dass sie in der Praxis auf professionelle Teams treffen, in denen alle Beteiligten nicht nur über das notwendige Wissen, Erfahrung und Kompetenz verfügen, sondern auch reibungslos miteinander zusammen arbeiten.
5 Tipps, die Ihr Praxis-Team von einer Flugzeug-Crew lernen kann
Wie auch in der Medizin sind in der Aviatik die meisten Prozesse in hohem Maße sicherheitsrelevant. Die Abläufe werden daher stark standardisiert und Zuständigkeiten sowie Entscheidungsträger eindeutig geklärt.
- Praxis-Tipp 1: Erstellen Sie personen- und funktionsbezogene (z.B. Empfang versus Sprechstunden-Assistenz) Aufgabenlisten und Zuständigkeiten, die gut sichtbar aushängen.
Jedes Ding hat einen bestimmten Platz an Bord, so dass keine Material-Suchzeiten oder unbemerkte Leerstände entstehen.
- Praxis-Tipp 2: Kennzeichnen Sie die Lagerorte für Verbrauchsmaterial von außen sichtbar und eindeutig. In der Schublade können Sie in einzelnen Fächern Etiketten anbringen, z.B. Kompressen, steril 10 ×10 cm 10 Stück. Auf diese Weise kann sich auch eine neue MFA sofort zurechtfinden und korrekt auffüllen. Für häufig benötigte Material-Kombinationen können “Express-Sets” zusammengestellt und vorgehalten werden.
Checklisten für verschiedene, gerade auch alltägliche Arbeitsschritte gewährleisten gleichbleibende Qualität, Effizienz und Sicherheit.
- Praxis-Tipp 3: Lassen Sie Ihre MFA Checklisten sowohl für den Notfall, z.B. Anaphylaxie, als auch für Routine-Tätigkeiten, wie z.B. “Vorbereitung eines kleinchirurgischen Eingriffs” oder “Verhalten bei Patienten-Beschwerden” erstellen und laminiert am benötigten Einsatzort ablegen. Komplexere Arbeiten können, z.B. direkt bei der Demonstration für eine neue Mitarbeiterin, per Handy mit gesprochener Erklärung auf Video aufgenommen und jederzeit wieder angesehen werden.
Die Piloten im Cockpit legen vor jedem Flug neu ihre Verantwortlichkeiten bzw. Aufgabenteilung fest. Crews werden für jeden Flug neu zusammengestellt, u.a. damit sich keine potentiell gefährlichen “Privat-Routinen” einschleifen.
- Praxis-Tipp 4: Legen Sie täglich am Morgen im Team fest, wer am betreffenden Tag für welchen Arbeitsplatz und welche Funktion zuständig ist, z.B. Empfang oder Verbandsraum, und lassen Sie Ihre MFA zwischen den Funktionen, z.B. wöchentlich, rotieren.
Die Crew-Mitglieder absolvieren regelmässig “Trainings auf dem Trockenen” ohne Passagiere, damit sie sich bei unvorhergesehenen Zwischenfällen aufeinander verlassen können. Weil sowohl Routinen, als auch Notfall-Situationen immer wieder geübt werden, können sogar Personen, die sich vorher nicht kannten, sofort professionell als Team zusammenarbeiten.
- Praxis-Tipp 5: Spielen Sie kurz, aber regelmässig, z.B. am sprechstundenfreien Nachmittag, potentielle medizinische Zwischenfälle oder Verhalten bei Verzögerungen wie längeren Reklamationen von Patienten u.ä. im Team durch.
Läuft es in Ihrem Praxiablauf nicht immer rund? Dann helfen folgende Fragen:
- Können Sie Ihrem Praxis-Team blind vertrauen? Falls nicht, was bräuchte es dafür?
- Vertrauen sich die Mitarbeiterinnen untereinander und stehen loyal hinter Ihnen als Kapitän und Ihrem Kurs?
- Kennt jedes Team-Mitglied die persönlichen Aufgaben und Kompetenzen “an Bord”?
- Sind Stellvertretungen innerhalb des Teams sichergestellt oder verfügt eine Mitarbeiterin über “geheimes Exklusiv-Wissen”?
- Wie stellen Sie sicher, dass jede einzelne Person im Team, z.B. eine neue Mitarbeiterin, über die erforderlichen Kenntnisse und Kompetenzen verfügt, um die gewünschte Behandlungsqualität zu erbringen und “Critical Incidents” zu vermeiden?
- Wann haben Sie sich das letzte Mal Zeit genommen, um mit Ihrem Team die interne Kommunikation, Abläufe und Zusammenarbeit außerhalb des Praxisalltags zu trainieren oder sich eine Team-Weiterbildung gegönnt?
(publiziert am 14. Februar
2020 auf www.coliquio.de)